Ein Überblick über die Geschichte der Loya Jirga (Große
Versammlung)
Das Wort „Loya“ stammt aus dem Paschto und bedeutet „groß“
„bedeutend“ , „riesig“.
Der Begriff „Jerga“ oder „Gerga“ (in ausländischen
Sprachen Djirga bzw. Dschirga, „Girga“ usw.) stammt etymologisch
aus dem Altaischen und bedeutet in Paschto, Dari bzw. Farsi soviel
wie „Kreis“, „Gruppe“ „Zelt“ „Handeln“
„Diskussion“, „Disput “, „Streit“. Er wird in
Afghanistan allgemein für Verhandeln, Handel und für regionale
Ratsversammlungen verwendet.
- Jirga
beim Einkaufen bedeutet Handeln über einen Preisnachlass
- Jirga
e Famili (Besprechung der Konflikte in der Familie oder Sippe)
- Jirga
Qaumi - Stammesjirga für die Belange der Stämme und Konfliktlösungen
und als institutionalisierter Form:
- Olosi
Jirga – Parlament
- Mascherano
Jirga - Senat
- Die
Loya Jirga wird selten einberufen und nur für Belange, die von
großem nationalem Interesse sind. An ihr nehmen die Delegierten
aller Stämme und religiösen Minderheiten Afghanistans teil.
Seit der Konstituierung des Parlamentarismus 1964 ist Loya Jirga
eine gemeinsame Sitzung von Olosi-Jirga und Meschrano-Jirga.
Hier die wichtigsten bekannten Meli-Jirgas (Stammesjirga) - und
Loya Jirgas (aller Stämme) nach christlicher Zeitrechnung:
1414
Die erste Loya Jirga soll in Kandahar im Jahre 1414 abgehalten
worden sein. Grund der Versammlung war das Vorhaben des
Jussefzai-Stamm, von Kandahar nach Peshawar umzusiedeln. Ergebnis
der Sitzung. Der Stamm Jussefzai siedelt doch von Kandahar nach
Peshawar um.
1570
Jirga unter der Leitung von Pir Roshan, um den Widerstand gegen
die Moghul-Dynastie zu führen. Jussufzai und Khattak stritten sich
um die Seidenstraße zwischen Kabul und Lahore. Der Führer dieser
Bewegung war Bayazed Ansari (1525-1581). Der Nichtpaschtune wird von
den Paschtunen als „Neka“ (Großvater) bezeichnet. Er konnte
aber Paschtu, Dari und Indisch.
1707
Jirga e Safa unter der Leitung von Mirwais Baba Hotaki, der alle
Stämme in Kandahar vorübergehend einigte. Mirwais Hotaki wird als
Mirwais Neka („Großvater der Nation“) bezeichnet.
1747
Ahmad Schah Baba bildet
die erste Regierung auf dem Boden des heutigen Afghanistan unter dem
Namen „Großkhorassan“
Die erste Versammlung fand
im Oktober in Mazar e Scher Sorch in Nader Abad nach dem Tode von
Nader Afschar statt. Die Versammlung dauerte 9 Tage. Die Diskussion
führten die Oberhäupter der Stämme von Ghazali, Popalzai, Nurzai,
Sadozai und andere. Sie wählten Ahmad Khan Abdali zum König von
Großkhorassan. Etwa nach einem halben Jahrhundert später wurde zum
ersten Mal das Wort „Afghanistan“ im Vertrag zwischen Iran und
England gebraucht.
Es wird behauptet, dass ein
Sufi namens Zaber Khan Kabuli die Diskussion beendete, indem er eine
Krone aus Ähren auf den Kopf von Ahmad Khan Durani setzte und ihn
"Schah" nannte.
1793 in Kandahar
Timur Schah Durani verlagert die Hauptstadt von Kandahar nach
Kabul.
1841
Abdullah Khan Atschekzai berief eine Stammesversammlung ein.
1841
in Kabul
Diese
Versammlung fand am Vorabend des 1. Afghanisch-Britischen Krieges am
1. November in Schur Bazar (Altstadt von Kabul) statt und hatte 12
Mitglieder. Mohammad Zaman Khan (Neffe von Dost Mohammad Khan) wurde
zum Präsidenten und Aminullah Khan Logeri zu seinem Stellvertreter
gewählt. Diese Versammlung besprach Themen wie die Koordination des
nationalen Befreiungskampfes der Modjahedin, die logistische
Versorgung der Truppen und die Bekanntgabe der Widerstandserklärung
durch den Ältestenrat. Sie erklärten den 2. November zum
allgemeinen landesweiten Widerstandstag.
1865
in Kabul
Amir
Scher Ali Khan führte eine Loya Jirga durch, um die Bevölkerung für
seine Monarchie zu gewinnen und sie zu stabilisieren. An der
Konklave nahmen 2000 Menschen teil. Der Präsident der Loya Jirga
war Ali Khan selbst. Hier setzte er sich durch und ernannte seinen
siebenjährigen Sohn als Nachfolger. An der Versammlung nahmen neben
Beamten aus staatlichen Organen auch Vertreter aller Stämme und
ethnischen Gruppen teil.
1915
in Kabul
Während
des 1. Weltkrieges ersuchte eine aus Deutschland, Österreich und
aus der osmanischen Türkei gesandte Delegation Afghanistan, im
antibritischen Krieg teilzunehmen. Amir Habibullah erklärte die
Neutralität und die Nichteinmischung, obwohl die Mehrheit der 540
Delegierten der Versammlung für die Teilnahme am Krieg stimmten,
die im Oktober 1915 stattfand.
1920
in Jelalabad
Nach
der Unabhängigkeitserklärung durch den König Amanullah fand im
Winter 1920 eine große Versammlung in Jelalabad statt, an der neben
Mitgliedern des Nationalrats auch Vertreter der Provinzen Kabul,
Negarhar, Laghman und Kunar teilnahmen. Hauptziel der großen
Versammlung war die Verabschiedung von Sozialreformen, die
Ratifizierung der Verfassung. Die erste Verfassung wurde in dieser
Versammlung im Jahre 1920 verabschiedet. Die Verfassung beinhaltete
die Abschaffung der Sklaverei, die Stärkung der nationale Einheit
und die Garantie der bürgerlichen Freiheiten, die
Gleichberechtigung der Bürger und ein ausgewogenes Steuerrecht nach
Einkommen. (Afghanen mit hinduistischen Glauben zahlten
Zwangssteuer).
1922
in Paghman (Vorort von Kabul)
In
Paghman wurde im Sommer 1922 die Versammlung von 1920 fortgesetzt.
Themen dieser Versammlungen waren die Reformen zur Ankurbelung der
nationalen Wirtschaftszweige. Zehn Tage lang haben die 1504
Delegierten ihre Meinung offen und frei geäußert, auch wenn diese
gegen die Meinung des Königs war. Die Versammlung verabschiedete
die Verfassung, welcher auch der König zustimmte.
1924
in Paghman
Die
Verfassung, die in den beiden vorherigen Versammlungen beraten
wurden, löste bei der Bevölkerung Auseinandersetzungen aus. Die
von fremden Mächten geförderten Verfassungsgegner verlangten die
Errichtungen von Räten. An der Versammlung nahmen 1000 Delegierten
und 150 Mitglieder der Nationalversammlung (vorher Staatsparlament)
teil. Amnestie und Wehrpflicht wurden eingeführt, die auf
Gepflogenheiten basierende Titel und Bezeichnungen abgeschafft und
offizielle Bezeichnungen eingeführt.
1930
in Kabul
Nach
dem Sturz König Amanullahs führte Nader Schah eine Versammlung mit
301 Teilnehmern in Kabul durch. Die Versammlung eröffnete Nader
Schah. Das Präsidium der Versammlung hatten er selbst und sein
Bruder Haschem Khan inne. Die Themen waren die Modifizierung der
Wahlen zur Nationalversammlung (Parlament) sowie die Wiedereinführung
der traditionellen Titel und Bezeichnungen und die Revision der
Verfassung von 1920.
1941
in Kabul
König
Zaher Schah führte die erste große Versammlung nach dem Attentat
auf Nader Khan (1933). Die zweitägige Versammlung eröffnete er mit
einer Rede am 5. November 1941 während des Zweiten Weltkrieges. Der
Ort der Versammlung war das Habibia-Lycee. Themen wie Neutralität
im Krieg und Ausweisung der deutschen, italienischen und britischen
Spezialisten wurden dort diskutiert.
1955
in Kabul
Diese
große Versammlung fand wegen der Veränderung der Region und der Gründung
des Staates Pakistan statt. Das Präsidium der 371 Mann starken
Versammlung hatte Gul Mohammad Mohmand. Paschtunistan war das Thema
der Versammlung, die fünf Tage andauerte. In dieser Versammlung
wurden die engen Beziehungen zur Sowjetunion verabschiedet. Das war
auch der Beginn von Afghanistans russischer Abhängigkeit.
1964
in Kabul
Die
letzte große Versammlung unter der Monarchie fand im Kabuler Palast
"Salam-Khana" statt, deren Präsidium Mohammad Zaher Schah
und sein Stellvertreter, der künftige Ministerpräsident Dr.
Mohammad Zaher innehatten. In der zehntägigen Versammlung
diskutierten 452 Delegierte über die Ratifizierung des
Verfassungsentwurfs, in der die drei Gewalten getrennt, Menschen-
und Bürgerrechte, Pressefreiheit und Meinungsäußerung garantiert
und die Gründung politischer Parteien erlaubt wurden. Die
Versammlung verabschiedete das afghanische Grundgesetz, das den
Wandel der 60er Jahre als demokratische Dekade einläutete.
1976
in Kabul
Im
Winter 1973 berief Mohammad
Daud diese große Versammlung ein, um die erste Republik in
Afghanistan zu legitimieren, sich als Präsident wählen zu lassen
und eine neue Verfassung (Grundgesetz) zu verabschieden. Die
Versammlung fand im Gesundheitsministerium statt. Versammlungspräsident
war Mohammad Daud, als Stellvertreter wurde Azizullah Wassefi gewählt.
1985
in Kabul
Nach
der Machtübernahme der Demokratischen Volkspartei Afghanistan (DVP)
tagte im Sommer 1985 in großer Saal des Politechnikums in Kabul die
große Versammlung. In der dreitägigen Versammlung nahmen 1796
Delegierten teil. Als Präsident fungierte Abdul Rahim Atefi und als
Stellvertreter Dr. Abdul Wahed Sorabi. Ziel der Versammlung war, die
Bevölkerung für seine Politik zu gewinnen. Die Delegierten
besprachen Themen wie Friedensproblem sowie die Innen- und Außenpolitik
in Afghanistan.
1987
in Kabul
Die
zweite zweitägige Versammlung in der Herrschaftszeit der DVP fand
im gleichen Ort in Kabul unter der Leitung von Abdul Rahim Atefi
statt, in der eine neue Verfassung verabschiedet wurde, in der Islam
als Religion der afghanischen Bevölkerung verbrieft sowie anderen
religiösen Minderheiten gesetzlich freie Religionsausübung
garantiert wurde. Aufgrund dieses Grundgesetzes wurde der Staatspräsident
gewählt.
Zu
erwähnen ist, dass im selben Jahr eine große Versammlung
unter dem großen Stammesversammlung der Paschtunen und eine
andere landesweite Versammlung der Völker Hazara ebenfalls in Kabul
abgehalten wurden.
1989
in Kabul
Die
letzte Versammlung rief Dr. Nadjiebullah ein, die während der
Regierungszeit der DVP im Sommer des Jahres 1989 stattfand und an
der 732 Delegierte teilgenommen haben. Sie beraten dort Themen
wie die Nationale Versöhnung mit Modjahedin und politische Lösung
des Afghanistan Konflikts.
1993
in Kabul
Nach
dem Sturz des DVP im Jahre 1992 berief Buranuddin Rabani eine große
Versammlung unter dem Motto Rat für die Lösung und Vereinigung
ein, um einen politischen Weg zu finden und die Regierung zu
legitimieren. Die Versammlung fand im Innenministerium unter der
Leitung von Mawlana Fazli statt, an der 1500 Delegierte
teilnahmen.
1994
in Herat
Diese
Loya Jirga rief der Gouverneur von vier Provinzen Ismael Khan ein,
die 5 Tage dauerte. Im Gegensatz zu Rat für Lösung und
Vereinigung, welche religiösen Charakter hatte, interessierte
sich diese Versammlung für Belange des Volkes. An der
Versammlung nahmen nationalen Persönlichkeiten aus In- und Ausland
teil, wie der verstorbene Dr. Mohammad Jossuf, der ehemalige
Ministerpräsident und Vater des Grundgesetztes von 1964.
2001
in Kabul
Mullah
Omer berief eine Loya Jirga nach dem 11. September 2001 ein, an der
1000 "Ulema" (Gelehrte) teilnahmen. Thema des
Streitgesprächs am 20.11.2001 war die Forderung der USA nach
Ausweisung bzw. Auslieferung von Bin Laden nach dem Terroranschlag
in New York. Die Ältesten der afghanischen Stämme waren unter
Druck von Taliban zusammengekommen und haben zwar die US-Forderung
nach Ausweisung von Bin Laden wegen Ehrenkodex des Gastrechts
abgelehnt, jedoch versuchten die afghanischen Ältesten Bin Laden
dazu bewegen, das Land freiwillig zu verlassen. „Die Ulemas
Afghanistans sind traurig über die Verluste in den Vereinigten
Staaten und hoffen, dass die Vereinigten Staaten keinen Angriff
gegen Afghanistan führen, hieß es in der Schlussresolution der
Taliban-Loya-Jirga
2002
Kabul (Gelände des Politechnikums – Kabul-Nord-West)
Gründung von der Übergangsregierung
und Bestätigung der provisorischen Verwaltung
Eröffnung durch Ex-König
Zaher Schah
Präsident: Ismail Qasimyar
Die Zahl der Teilnehmer an
der Loya Jirga betrug 1501. Die Versammlung befand über die
Zusammensetzung eines Interims-Parlaments und einer
Interims-Regierung, die ihrerseits die Aufgabe hatte, nach drei
Monaten eine Verfassungskommission einzusetzen und nach etwa Ende
2003 die Constitutional Loya Jirga zwecks der Verabschiedung eines
neuen Verfassungsentwurfs einzuberufen.
Unterstützung durch: UNO ,
UN Assistance Mission for Afghanistan (UNAMA).
Kosten: 14,4 Mio. US$ davon
übernahmen
USA 3 Mio. USD
Deutschland: 3 Mio. USD
Aga Khan Foundation: 2 Mio
Weitere Geber sind die EU,
Italien, Spanien, Großbritannien.
Zelt : GTZ (auch
organisatorische Vorbereitung)
Konferenzmanagement und
Moderationsmethode: GTZ und FES
2003
in Kabul
Die Loya Jirga fand vom
14.12.03 bis 04.01.2004 statt .
Eröffnung durch:
„Vater der Nation“ Ex-König Zaher Schah
Präsident: Sebghatullah
Modjadidi
Die Zahl der
Delegierten:502
Thema: Verabschiedung des
neuen Verfassungsentwurfs
Zelt : GTZ (auch
organisatorische Vorbereitung)
Konferenzmanagement und
Moderationsmethode: GTZ und FES
Quelle: u.a. BA
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